Niveau (noch) zu hoch

Wären nur mehr Bälle so geflogen wie dieser: Mirko Brüning holt mit dem Badmintonschläger weit aus, als wolle er einen kräftigen Schmetterschlag platzieren. Dann bremst er abrupt ab, touchiert den Federball nur leicht. Kurz hinter dem Netz fällt das Spielgerät auf den Boden. Unerreichbar. Sonst fehlen aber häufig die berühmten Zentimeter, so dass Lukas Schmidt sich kaum strecken muss - und die Premiere des Güterslohers bei den Deutschen Meisterschaften in Bielefeld mit 21:11, 21:13 kurz und schmerzlos beendet.

Neugierige Fragen von Konkurrenten, wie es denn so gelaufen sei, beantwortet der 16-Jährige nach Spielschluss mit einem "nicht so besonders". Zwar wirkt der Verbandsligaspieler des BSC Gütersloh nicht deprimiert, doch etwas mehr hatte er sich schon erhofft. Ihn ärgert die hohe Fehlerquote: "Das Gefühl für die langen Schläge fehlte mir einfach." Sein erstes Kräftemessen mit der deutschen Elite dauert kaum länger als 15 Minuten.

Der Vormittag allerdings schon. Wie alle Erstrundenpartien war Brünings Einzel auf 12 Uhr terminiert worden. Doch erst über zwei Stunden später kommt er an die Reihe. "Von vielen Turnieren das Warten gewohnt", sitzt er ohne sichtbare Anspannung auf dem für die Aktiven reservierten Tribünenbereich. "Ich bin gut drauf", sagt er und beißt in einen Apfel. Schließlich ist es wichtig, mit vollem Energievorrat ins Match zu gehen. Und natürlich aufgewärmt. Also bewegt sich der Schüler zwischendurch immer mal wieder, trippelt auf und ab.

Als sein Name aufgerufen wird, freuen sich seine Eltern auf der Tribüne, dass es endlich losgeht. "Schaun mer mal", sagt Vater Burkhard erwartungsfroh und staunt nicht schlecht. Unbekümmert setzt sein Sohn die erste Duftmarke, zieht nach dem 1:0 sogar auf 9:6 davon. Doch dann wird seine Vorahnung wahr, dass Lukas Schmidt "nicht aus einer Klümpchen-Klasse kommt". Der Zweitligaspieler, als Nummer neun der Setzliste haushoher Favorit, legt eine Schüppe drauf und punktet gegen den drei Klassen tiefer aktiven Brüning zwölfmal in Folge.

Auch im 2. Satz versucht der Gütersloher weiter, mit der von Trainer Björn Bennefeld ausgebenen Taktik zum Erfolg zu kommen. Doch das hohe Risiko, das er bei dem ständigen Wechsel von kurzen und langen Bällen geht, wird zum Boomerang. Schmidt muss eigentlich nur auf den nächsten Patzer warten, um einen Ballwechsel zu seinen Gunsten zu beenden. "Jugendliche Unerfahrenheit" nennt der Coach als Grund, warum den Schlägen das Timing fehlt. Sein Schützling liefert eine andere, für den Außenstehenden nicht sichtbare Erklärung: "Mit solchen Federbällen habe ich vorher noch nie gespielt."

Zu den unbekannten Flugeigenschaften kommt erschwerend die Größe der Seidensticker Halle hinzu, in der Brüning nur schwer einschätzen kann, wie kräftig er gegen den Ball schlagen muss, um die hintere Linie zu erreichen. "Mirko kann eigentlich mehr, als er gezeigt hat", sagt Bennefeld.

Während der 16-Jährige mit entsprechend enttäuschter Mine seinem Konkurrenten zum Sieg gratuliert, wiederholt Burkhard Brüning seine positive Grundeinstellung: "Aus solchen Spielen kann er nur lernen." Und nachdem der erste Frust verdaut ist, verbucht auch sein Sohn die Partie als Schritt auf dem Weg zu seinem Ziel, "in vier, fünf Jahren hier vielleicht gewinnen zu können."


Neue Westfälische, Text von CARSTEN BIERMANN, Foto von HENRIK MARTINSCHLEDDE


Erscheinungsdatum: Samstag, 6. Februar 2010, 22:10 Uhr







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